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CAPITULUM X

 

Quod in quarto statu Ecclesiae, exeunte pallido equo, in falsis fratribus Ecclesia Dei supra vires laboraverit, in quo etiam statu multae ac variae religiones creverunt.

 

Et cum aperuisset sigillum quartum, ecce equus pallidus, et qui sedebat super eum, nomen illi mors, et infernus sequebatur eum (Apoc. VI, 11). Iste nimirum quartus est Ecclesiae Status, in quo gravissimum et mortiferum periculum est in falsis fratribus. Nam sicut pallidus color ex albo simul et nigro miscetur, nec prorsus album ostendit, sed utrumque falso habet; ita nimirum falsi christiani, seu falsi fratres, quorum innumerabilis iam multitudo est, Christum ore publico confitentur, factis autem negant; ecclesiam frequentant, ecclesiastica sacramenta suseipiunt, praelatis debitam reverentiam exhibent, iuxta Apostolum honore se invicem praeveniunt, ecclesias aedificant, et eas simul et altaria ad decorem domus Dei decenter exornant, solemnitates et festa sanetorum quasi summa devotione celebrant, longa missarum officia et ordinatas cleri processiones plurimum commendant, ieiunia quoque et cibariorum discretionem interdum sibi imponunt, pauperibus eleemosynas propriis manibus porrigunt, sanctos et vere religiosos viros, si forte sibi occurrant, elato intus corde et inclinato foris capite salutant, et eos plerumque hospitio receptos humane tractant, et eorum orationibus se commendant.

 

 

Quidam etiam gloriosum Domini sepulcrum in Ierosolymis, seu limina apostolorum, seu alia loca sanctorum visitant; in omnibus causis, tam alienis quam propriis, Deum sibi auctorem testantur, universa quae vel dicunt vel faciunt, in nomine Domini se vel dicere vel facere dicunt; et ut breviter colligam, decenti habitu, decenti sermone, decenti visu, decenti incessu, decenti toto corporis motu, religiosam et honestam et disciplinatam personam gerunt, et foris ostendunt; et in istis et cum istis quasi pacificus est status Ecclesiae, nec gladio persecutorum manifeste impugnatur, nec dolosa importunitate haereticorum fatigatur.

 

 

Verum in falsis christianis, seu in falsis fratribus, qui nomen et habitum Christianae religionis induerunt, adeo  laborat Ecclesia, ut huic qui sedebat super equum pallidum, recte nomen esset mors, quae nulli mortalium parcit, quae etiam congrue infernus, qui nunquam dicit: Sufficit. Quid enim est in falsis fratribus, nisi mors interfectrix animarum, pallida in hypocrisi et simulatione, quam sequitur infernus apertis faucibus ad devorandum paratissimus?

 

 

De quibus Dominus dicit in Evangelio sub nomine scribarum et Pharisaeorum: Vae vobis, scribae et Pharisaei hypoeritae, qui Claudius regnum coelorum ante homines. Vos non intratis, nee introeuntes sinitis intrare. Vae vobis, scribae et Pharisaei hypoeritae, qui comeditis domos viduarum, oratione longa orantes: propter hoc amplius accipitis iudicium (Matth. XXIII, 13, 14). Vae vobis, scribae et Pharisaei, qui decimatis mentham et anethum et cyminum, et relinquitis quae graviora sunt legis, iudicium et misericordiam et fidem (ibid. 23). Vae vobis, scribae et Pharisaei hypocritae, qui mundatis quod deforis est calicis et paropsidis, intus autem pleni estis rapina et immunditia. Pharisaee caece, munda prius quod intus est calicis et paropsidis, ut fiat id quod deforis est mundum. Vae vobis, scribae et Pharisaei hypocritae, qui similes estis sepulcris dealbatis, quae a foris parent hominibus speciosa, intus vero plena sunt ossibus mortuorum et spurcitia; sic et vos a foris quidem paretis hominibus iusti, intus autem pleni estis hypocrisi et iniquitate. Vae vobis, scribae et Pharisaei hypocritae, qui aedificatis  sepulcra prophetarum, et ornatis monumenta iustorum, et dicitis: Si fuissemus in diebus patrum nostrorum, non essemus socii eorum in sanguine prophetarum. Itaque testimonio estis vobismetipsis, quia filii estis eorum qui prophetas occiderunt. Et vos implete mensuram patrum vestrorum: serpentes, genimina viperarum, quomodo fugietis a iudicio gehennae (Matth. XXIII, 25, 33).

 

Ecce, fratres charissimi, terribiles comminationes super hypocritas audivimus: mortem pallidam animarum, et infernum sequentem et hiantem timeamus, hypocrisim detestabilem fugiamus: quod intus est, sincera confessione mundemus et purincemus, et crebra lacrymarum effusione abstergamus; foris autem ab eclesiasticae disciplinae norma, unusquisque in ordine suo quo vocatus est, nullatenus discrepemus, si vel facere vel pati scandalum nolumus.

 

10. Kapitel

 

Im vierten Stadium der Kirche, als ein fahles Pferd hervorkam, wird die Kirche Gottes von den falschen Brüdern geplagt. In diesem Zustand nahm auch die Zahl und die Vielfalt der Religionen zu.

 

„Und da es das vierte Siegel auftat, siehe, da erschien ein fahles Pferd  und der darauf saß, dessen Name hieß Tod und die Hölle folgte ihm.“ Dies ist das vierte Stadium der Kirche, in dem die falschen Brüder die schlimmste und todbringende Gefahr darstellen. Denn wie die fahle Farbe aus weiß und schwarz gemischt ist und kein reines weiß zeigt, sondern von beiden fälschlicherweise etwas aufweist, genauso sind nämlich die falschen Christen oder die falschen Brüder, von denen es bereits eine sehr große Menge gibt. Sie bekennen sich in der Öffentlichkeit lautstark zu Christus, leugnen ihnen aber durch ihre Taten. Sie besuchen die Kirche, erhalten die kirchlichen Sakramente, gewähren den Prälaten die gebührende Achtung, ebenso wie die Apostel übertreffen sie sich gegenseitig in Ehre. Sie bauen Kirchen und schmücken diese ebenso wie den Altar geziemend aus, um das Haus Gottes zu verschönern. Sie feiern die jährlichen Feiertage und die heiligen Feste mit der allergrößten Hingabe, sie widmen sehr dem langen Dienst der Messe und den geordneten Prozessionen der Kleriker, unterziehen sich hin- und wieder auch dem Fasten und der Enthaltsamkeit, reichen mit ihren eigenen Händen den Armen Almosen. Wenn ihnen heilige und wirklich religiöse Männer zufällig begegnen, grüßen sie sie mit Stolz in ihren Herzen, aber äußerlich mit einem Neigen des Kopfes. Sie bieten ihnen oft Gastfreundschaft an, behandeln sie menschlich und geben sich ihren Reden hin.

 

Einige besuchen auch das ruhmvolle Grab des Herren in Jerusalem, die Gräber der Apostel oder andere heilige Stätten. Bei jedem Anlass, sei es einer der anderen oder ihr eigener bezeugen sie die Autorität Gottes. Sie behaupten, dass alles was sie sagen oder tun, im Namen des Herren geschieht. Kurz gesagt, sie verhalten sich anständig, reden anständig, sehen anständig aus, schreiten anständig einher, alle Bewegungen ihres Körpers sind geziemend. Sie gebären sich als fromme, ehrenwerte und gebildete Persönlichkeiten und zeigen sich ebenso in der Öffentlichkeit. Es scheint, dass angesichts dieser Leute und mit ihnen der Zustand der Kirche ruhig sei und nicht etwas durch das Schwert der Verfolger angegriffen noch durch die arglistige Aufdringlichkeit der Häretiker ermüdet.

 

In Wahrheit aber leidet die Kirche sehr unter diesen falschen Christen oder falschen Brüdern, welche dem Namen nach und auch gemäß ihrer äußeren Erscheinung der christlichen Religion angehören. Doch derjenige, der auf dem fahlen Pferd sitzt, verdient zurecht den Namen des niemand verschonenden Todes, der gleichermaßen die Hölle bedeutet und niemals sagt: Es reicht. Was steht nämlich anderes hinter den falschen Brüder, wenn nicht der Tod, der Mörder der Seelen, der bleich ist vor Heuchelei und Täuschung. Ihm folgt die Hölle, mit geöffnetem Rachen, bereit, ihre Beute zu verschlingen.

 

Diese nennt der Herr im Evangelium die Schriftgelehrten und Pharisäer: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließt vor den Menschen! Ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, lasst ihr nicht hineingehen. Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Witwen Häuser fresset und wendet lange Gebete vor.Darum werdet ihr desto mehr Verdammnis empfangen.“ „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr  verzehret die Minze, Dill und Kümmelund lasset dahinten das Schwerte im Gesetz, nämlich das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben.“ „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln auswendig reinlich haltet, inwendig aber ist’s voll Raubes und Fraßes. Du blinder Pharisäer, reinige zuerst das Inwendige an Bescher und Schüssel, auf das auch das Auswendige rein werde. Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr gleich seid die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totengebeine und Unflat. Also auch ihr, von außen scheinet ihr den Menchen fromm, innwendig aber seid ihr voller Heuchelei und Untugend. Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Propheten Gräber bauet und schmücket der Gerechten Gräber und sprecht: Wären wir zu unserer Väter Seite gewesen, so wollten wir nicht teilhaftig sein mit ihnen an der Propheten Blut. So gebt über euch selbst Zeugnis, dass ihr Kinder derer seid, die Propheten getötet haben. Wohlan, erfüllt auch ihr das Maß eurer Väter, ihr Schlangen, ihr Otterngezüchte, wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?“ 

 

 

 

Sehet, teuerste Brüder, das sind die schrecklichen Bedrohungen, die wir über die Heuchler vernehmen. Lasst uns den bleichen Tod der Seelen und die offenstehende Hölle, die ihm folgt, fürchten und uns vor der verabscheuenswürdigen Heuchelei fliehen. Lasst uns das Inwendige durch den reinen Glauben reinigen und säubern und es mit den häufig vergossenen Tränen waschen. Äußerlich aber, lasst uns keineswegs von der Regel der kirchlichen Lehre abweichen, jeder einzelne nach seinem Rang, der ihm zusteht, da wir ja kein Ärgernis hervorrufen oder zulassen wollen.

 

<-- 9. Kapitel